Wir möchten uns heute einige Gedanken über diese wunderbaren Tage machen, die wir jetzt gerade erleben, über die Vorbereitung auf das „Fest der Feste" auf Ostern, Vor einigen Monaten habe ich Ihren lieben Herrn Pfarrer Hans Brabeck hier im Kloster kennengelernt. Wir haben uns lange und sehr schön unterhalten. Jetzt hat er mich in diese ungewöhnliche Situation gebracht hat, hier vorne zu stehen. Im allgemeinen ist es mir nämlich wesentlich lieber zuzuhören als zu sprechen. Es liegt also einzig und allein an meiner Unfähigkeit und Unerfahrenheit, wenn jetzt in den folgenden Minuten etwas gesagt wird, was in Ihrer Seele Unruhe oder Unzufriedenheit hervorruft, und nicht daran, dass die Lehre der Hl. Kirche unvollkommen wäre. Ich habe mich bemüht aus einigen Büchern, die von heiligen Menschen, die sich Erfahrung im geistlichen Leben angeeignet haben, geschrieben wurden, die größten Schätze im Hinblick auf die große Fastenzeit zusammenzustellen. Und es wäre eine große Freude, wenn Sie dadurch ein wenig Kraft schöpfen würden und mit viel Eifer selber weiterforschen und langsam durch eigene Erfahrung entdecken würden, dass es auf dieser Welt nichts Schöneres, nichts Tieferes, nichts Reicheres gibt als das, was uns die Hl. Kirche als unsere Mutter offenbart und uns freigiebig zur Verfügung stellt. Besonders eben jetzt, während der Tage der gesegneten Fastenzeit.
„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist heilsam. Alles ist mir erlaubt, aber ich darf mich von nichts beherrschen lassen." Der hl. Apostel Paulus möchte uns damit sagen, wie wir mit unserem Körper und allen materiellen Dingen umgehen sollten. Befreit von jeder Fessel der Genusssucht und Selbstbefriedigung, sollten wir uns unserem Ziel nähern. Und unser Ziel ist nichts anderes, als unsere vollkommene Hingabe an Gott und den Nächsten. Das Fasten ist also nichts anderes, als ein Mittel um zur Freiheit zu gelangen. Unser Handeln und Denken und all unsere Gewohnheiten sind heute stärker als je zuvor danach ausgerichtet, in allen Lebenslagen und Dingen zu möglichst großem Genuss zu gelangen. Selbst wenn wir der Meinung sind, frei zu sein, sind wir in Wahrheit Sklaven unserer Begierden, süchtig nach Genuss und Selbstbefriedigung. Von dieser Sucht aber sollten wir uns lösen, wenn wir in der wirklichen, vollkommenen Freiheit leben wollen. So hat das Fasten nichts Unfrohes, Erzwungenes und Gesetzliches an sich, sondern ist ein Teil der inneren Freiheit und ein Sich-aufschließen für geistliche Erfahrungen. Diejenigen, die tiefer in die Gebets
Vielleicht haben wir diese Freiheit noch niemals gespürt, vielleicht haben wir uns auch noch niemals nach ihr gesehnt. Dennoch handelt es sich nicht um eine Theorie und nicht um eine Idee. Viele Menschen haben uns diese Freiheit vorgelebt, diese Erhabenheit über das Gebundensein an materielle Dinge. An dieser Stelle möchte ich ihnen eines der vielen lebendige Beispiele für ein Leben in Christus vorstellen. Es handelt sich tun einen Mönch der Gethsemane
Das Fasten ist also, wie Vater Isidor es uns hier zeigt, ganz eng mit einer ganz bestimmten Lebensweise, verbunden, einer Lebensweise in geistlicher Freiheit, die die Grenzen des Essens und nicht Essens überschreiten. Gerade heute, in einer Zeit, in der es uns an nichts fehlt, in der wir mit Gütern überschüttet werden, dennoch aber unzufrieden sind, ein inneres Loch, innere Leere spüren und nach etwas suchen, was wir nirgendwo finden können, ist diese Lebensweise, eine asketische Lebensweise hochaktuell. Nur mit Hilfe dieser Lebensweise, werden wir uns von den inneren Fesseln befreien können, wir werden uns der Liebe Gottes nähern können und unser Herz, das bis jetzt leer war durch den Frieden in Christus erfüllen. Schritt für Schritt können und müssen wir alle uns diesem Ziel nähern. Und wenn wir uns überlegen, wie wir denn beginnen sollen, dann eilt uns auch schon die Kirche zur Hilfe.
Die Fastenzeit führt uns Schritt für Schritt in diesen Zustand, wenn wir sie bewusst erleben! Die Fastenzeit ist eine Zeit der Umkehr. Ich möchte also zu Gott zurückkehren, in den Zustand, in dem Er mich geschaffen hat, zu meiner ursprünglichen Schönheit. Der Mensch hat das Leben, das Gott ihm geschenkt hat abgelehnt und bevorzugt ein Leben weit von Gott entfernt, er entscheidet sich jeden Tag dafür „nur vom Brot allein zu leben". Damit ist sein Verhältnis zu der Schöpfung sozusagen auf den Kopf gestellt. Gott hat uns die ganze Welt geschenkt, um sie zu nutzen. Auch die Speise ist ein Mittel zum Leben. Aber wir leben, um uns mit Gott zu vereinigen. „In Ihm war Leben und das Leben war das Licht der Welt." (Joh.1,4). Nur Gott hat das Leben und Gott ist das Leben. In der Speise ist Gott selbst der Anfang des Lebens. Heute aber glauben wir an die materiellen Dinge, bes. an die Speisen, wir glauben, dass die Speisen uns das Leben schenken. Die Welt und die Speisen sind unser Gott. Denn wie kann man behaupten, dass Gott uns das Leben schenkt, wenn wir nicht in Gott und für Gott leben? Wenn wir „vom Brot allein leben"? Wir essen, um zu leben, aber das wahre Leben in Gott fehlt! Und genau hier kommt uns die Fastenzeit zur Hilfe! Wenn wir fasten, können wir diese Umkehr verwirklichen. Wir werden durch eigene Erfahrung feststellen, dass unsere Abhängigkeit vom Materiellen und von der Speise nicht vollkommen und vollendet ist. Wir werden feststellen, dass wir „nicht vom Brot allein leben". Unser Hunger wird sich in einen geistlichen Zustand verwandeln. Wir werden unseren wahren Hunger, den Hunger nach Gott entdecken! Durch das Fasten in Verbindung mit dem Gebet und der Gnade Gottes wird unser Hunger gestillt, denn wir werden uns Gott nähern, wir werden zu unserer ursprünglichen Schönheit, zu einer geistlichen Schönheit zurückkehren.
Bevor wir mit der Bemühung um das Fasten, um unsere Umkehr zu Gott beginnen, ist es nötig uns vorzubereiten. Es gibt also nicht nur eine Vorbereitung auf das Osterfest, sondern auch eine Vorbereitung auf die Vorbereitung. Die sog. Vorfastenzeit. Wieder ein Zeichen dafür, dass die Kirche sehr behutsam und sensibel mit der menschlichen Seele umgeht, die sich nur sehr langsam umstellen kann. Darüber hinaus soll verhindert werden, dass wir uns auf unsere eigenen Kräfte verlassen und Gott wiedereinmal beiseitestellen. Während dieser Vorfastenzeit bitten wir um die Hilfe Gottes und machen uns bewusst, dass wir nur für Gott fasten, oder besser im Namen Gottes. Wir machen uns bewusst, dass unser Körper ein Tempel Gottes ist, dass Er anwesend ist. Wir bemühen uns darum, unseren Körper, die Speisen, unser tägliches Leben aus einem anderen Blickwinkel, mit einem geistlichen Respekt zu betrachten. Wenn wir die Vorfastenzeit tief in unserem Herzen erleben, dann werden wir nicht äußerlich fasten, sondern geistlich ausgerüstet sein und verstehen, was wahre Umkehr bedeutet.
Der erste Vorfastensonntag hat als Thema den Bericht aus dem Evangelium über den Zöllner Zachäus (Luk.l9,1)
Am folgenden Sonntag, dem 2. Vorfastensonntag beschäftigen wir uns mit dein Gleichnis des Pharisäers und Zöllners. Dieser Text aus dem Lukasevangelium (18,10-14) ist sicher allen bekannt. Es wird auf der einen Seite ein Mensch beschrieben, der immer mit sich selber zufrieden ist und der von sich meint, er wäre ein frommer Mensch. Deswegen ist er stolz auf sich. Allerdings hat er nicht verstanden, was es bedeutet, ein Christ zu sein, denn er begrenzt seine Frömmigkeit auf Äußerlichkeiten. Der Zöllner demütigt sich selbst und seine Demut rechtfertigt ihn vor Gott. Kurz vor der Liturgie singen wir an diesem Tag: „Lasst uns nicht beten nach Pharisäerart, ihr Brüder, denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden. Demütig lasst uns sein vor Gottes Angesicht wie der Zöllner. Fastend lasst uns rufen: Gott, sei uns Sündern gnädig!" In unserer heutigen Gesellschaft ist es sehr schwierig den Menschen deutlich zu machen, was Demut bedeutet. Wir wachsen in einer Umgebung auf, in der wir ständig dazu angehalten werden, stolz auf uns selber zu sein, uns selber zu rechtfertigen, uns selber gut zu finden usw. Unser Vorbild ist oft der Pharisäer, der sich selber einen Gott geschaffen hat, der die Errungenschaften und die guten Taten der Menschen belohnt.
Was aber ist die Demut? Die Antwort lautet: Gott selbst ist die Demut! Jemand, der Gott kennt, der sich Gott nähert, der entdeckt, dass die Demut eine göttliche Eigenschaft ist, dass die Demut das Leuchten seiner Ehre ist. Durch Gottes Demut sind Himmel und Erde erfüllt. Ehre und Demut sind gleichzustellen, denn die Vollkommenheit hat es nicht nötig sich aufzublasen. Gott ist demütig, weil er vollkommen ist. Die Demut ist seine Ehre und die Quelle jeder wahren Schönheit und Vollkommenheit. Und wie können wir nun demütig werden? Jeder, der sich aufrichtig Gott nähert und ihn kennenlernt, erhält einen Teil dieser göttlichen Demut und wird mit ihr geschmückt. Die Demut kann man lernen, indem man sich Christus nähert, der sagte:„Lernt von mir, denn ich bin sanft und von Herzen demütig." Nur in Christus offenbarte Gott Seine Herrlichkeit und Ehre als Demut und Seine Demut als Ehre. In der Person des Zöllners, der aus tiefstem Herzen ruft: "Herr, erbarme dich über mich Sünder", haben wir also ein weiteres Vorbild unserer wahren Umkehr. Denn Umkehr ist vor allem die Rückkehr zu unserer ursprünglichen Schönheit, wie wir von Gott geschaffen wurden, zu unserer Ebenbildlichkeit mit Gott, der von Herzen demütig ist.
Schließlich gelangen wir zum Vorfastensonntag des Verlorenen Sohnes. Die Gesänge an diesem Tag und die Lesung aus dem Evangelium erinnern uns an die Rückkehr des Menschen aus einem fernen Land, aus der Verbannung. Jemand, der das Gefühl der Entfremdung, der Entfernung von Gott nicht kennt, dem die Seligkeit der Gemeinschaft mit Ihm nicht fehlt, der sich nicht weit vom wahren Leben entfernt fühlt, vom Leben, wie es Gott geschaffen und uns gegeben hat, wer also noch niemals gespürt hat, dass er sich von Gott entfernt hat, der wird auch niemals verstehen, was das Christentum ist, er wird niemals verstehen, was Reue und Umkehr bedeuten. Es ist einfach zu beichten, dass man nicht gefastet hat, das man geschimpft hat und zu wenig gebetet hat. Aber kann ich es mir selber und in der Beichte eingestehen, dass ich meine geistliche Schönheit beschmutzt und verloren habe? Dass ich weit von meinem wahren Zuhause entfernt bin, vom wahren Leben und dass ich alles Kostbare, Reine und Schöne in mir vollkommen zerstört habe? Bin ich mir der Sünde aller Sünden bewusst? Bin ich mir bewusst, dass ich meine Liebe von Gott entfernt habe, das weit entfernte Land bevorzugt habe und das reiche Haus meines Vaters verlassen habe? Hier kommt mir wieder die Kirche zur Hilfe und erinnert mich daran, was ich verloren habe. Wir singen also:„Deine Herrlichkeit, Vater, verließ ich in Torheit. Mit Sündern hab ich vergeudet den Reichtum, den Du mir gabst. Dir also trage ich vor das Wort des verlorenen Sohnes: Ich habe gesündigt vor Dir, erbarmender Vater. Nimm mich Reuigen auf und lass mich wie einer Deiner Tagelöhner sein!" Und sofort finde ich durch sein Beispiel die Kraft umzukehren und zu sprechen:„Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt vor dem Himmel und vor Dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich Dein Sohn heiße; mache mich zu einem Deiner Tagelöhner!"
Eine Woche trennt uns nun noch vom endgültigen Beginn der Fastenzeit. Die letzte Vorfastenwoche beginnt mit dem Gedenken an das Letzte Gericht. Nach orthodoxem Verständnis verbindet sich der Gedanke an die Zweite Wiederkunft Christi mit nichts anderem als mit der Liebe. Denn Gott ist vollkommene Liebe und möchte, dass alle Menschen gerettet werden. Und Seine Liebe ist Gerechtigkeit. Eine Gerechtigkeit, die wir Menschen nicht verstehen, die wir nie verstanden haben. Hier geht es nicht um eine Gerechtigkeit: Wenn du etwas Böses tust, dann musst du bestraft werden. Es ist eine andere Gerechtigkeit. Wir lesen im z. Johannesbrief „Darin besteht die Liebe, nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern, dass Er uns geliebt und Seinen Sohn als Opfer für unsere Sünden gesandt hat." Gottes Gerechtigkeit ist also Sein Kreuz! Er will uns retten und wenn wir wollen, wenn wir uns Ihm nähern wollen, werden wir von Seiner Liebe durchdrungen. Das ist das Paradies. Wenn wir nicht wollen, dann spüren wir wieder nichts anderes als Seine Liebe, aber diesmal wird sie uns verbrennen. Denn wir wollen sie nicht ertragen. Das ist die Hölle.
Und schon haben wir den letzten Sonntag vor der großen Fastenzeit erreicht. Dieser letzte Vorfastensonntag wird Verzeihungssonntag oder Sonntag des verlorenen Paradieses genannt. Die wunderbaren und berührenden Gesänge dieses Tages erinnern uns daran, dass wir von Gott im Paradies geschaffen wurden. Wir wurden geschaffen, um in Gemeinschaft mit Ihm zu leben. Dieses Paradies haben wir verloren, aber die Kirche offenbart uns seine Schönheit und verwandelt unser ganzes Leben in eine Wallfahrt in unsere Himmlische Heimat. Ich stehe also vor Gott, vor Seiner Herrlichkeit, vor der Schönheit des Paradieses. Ich weiß, dass ich dorthin gehöre, dass ich keine andere Heimat habe, keine andere Freude, kein anderes Ziel! Und ich spüre, dass ich weit entfernt bin, dass ich in der Dunkelheit der Sünde stecke. Und ich höre die Gesänge: „Vor dem Paradies saß Adam, mit Jammern die eigene Blöße beklagend . ...Nicht mehr werde ich dein Leben der Wonne kosten, Paradies, nicht mehr schauen den Herrn, meinen Gott und Schöpfer. Denn zur Erde werde ich gehen, aus der ich genommen." Und in diesem Moment spüre ich, dass nur Gott mir diese Trauer nehmen kann, nur zu Ihm kann ich rufen: „tröste meine Seele!".
Und damit hat sich ein Kreis geschlossen. Diese Welt ist nicht meine Heimat. Ich beginne also während dieser vierzig Tage durch die Enthaltsamkeit mich von den Fesseln dieser Welt zu lösen. Und schon jetzt sehe ich in der Ferne mein Ziel leuchten, das Licht der Auferstehung, das Licht meiner Heimat, des Himmlischen Königreiches.
Ein kurzes Gebet, das den gesamten Weg dieser Umkehr ausdrückt, begleitet uns durch die ganze große Fastenzeit. Es wird mehrmals am Tag während der Gottesdienste in der Kirche gebetet und sollte auch zuhause wiederholt werden. Der Text dieses Gebetes des hl. Ephraim des Syrer lautet:
Herr und Gebieter meines Lebens,
gib mir nicht den Geist der Trägheit, der Neugier, der Herrschsucht und der Geschwätzigkeit.
Schenke mir vielmehr, Deinem Diener, den Geist der Erkenntnis, der Demut,
der Geduld und der Liebe.
Ja, Herr, mein König, gewähre mir, meine Sünden zu sehen
und meinen Bruder nicht zu verdammen,
denn Du bist gepriesen in die Ewigkeit der Ewigkeiten. Amen.
Begleitet wird dieses Gebet von großen und kleinen Verbeugungen. Auf dem langen und schwierigen Weg unserer Umkehr wird in der Kirche niemals die Seele vom Körper getrennt. Unser Körper ist heilig, so heilig, dass Gott unseren Körper annahm, d.h. Er wurde Mensch. Die Befreiung von den Fesseln unseres Körpers die Umkehr und die Askese sind also keine Verachtung des Körpers, sondern eine Heilung des Körpers. Durch seine Heilung wird er wieder zur Verkörperung des Geistes, zum Tempel der kostbaren Seele. Er nimmt Teil am Gebet unserer Seele, denn die Seele betet im und durch den Körper. Die Verbeugung also ist ein Ausdruck der Umkehr, der Demut und der Anbetung.
„Herr und Gebieter meines Lebens...", diese Anrede hat der Heilige Efraim gewählt. Und jedesmal, wenn wir nun dieses Gebet beginnen wird auch uns wieder bewusst, dass wir mit unserem persönlichen Herrn, Gebieter und König sprechen. Er ist der Herr, Gebieter und König der gesamten Schöpfung, aller Menschen und vor allem meines eigenen Lebens. Und meinen Herrn werde ich nun bitten, denn ohne Seine Hilfe bin ich machtlos.
„...gib mir nicht den Geist der Trägheit..." Gott erschuf den Menschen und schenkte ihm Gaben und Fähigkeiten. „Er setzte ihn in den Garten des Paradieses, damit er ihn bebaue und erhalte." (Gen. 2,15) Die Fähigkeit Werke zu verrichten ist also ein natürlicher Zustand, ein Zeichen der Ebenbildlichkeit mit Gott. Langeweile oder Trägheit, bes. im bezug auf das geistliche Leben, ist dagegen ein unnatürlicher Zustand, gehört zu den Leidenschaften und wird von vielen Heiligen Vätern als die Wurzel der Bosheit beschrieben. So schreibt der Hl. Joh. Chrisostomos:„Alles wird durch die Trägheit zerstört. Denn auch das Wasser verfault, wenn es still steht... Das Eisen wird vom Rost zersetzt, wenn es nicht benutzt wird. Und auf einem Feld, das nicht bebaut wird, wachsen Unkraut und Dornen. " Wir bitten also Gott um seine Hilfe, uns vor der Trägheit zu bewahren. Gleichzeitig aber bekämpfen wir sie selber durch das Gebet, eine Aussprache mit dem Geistlichen Vater, Lektüre der Hl. Schrift und der Kirchenväter, durch physische und intellektuelle Arbeit.
„. ..gib mir nicht den Geist der Neugier..."
Die folgende Bitte des Heiligen Efraim „. . .gib mir nicht den Geist der Herrschsucht...", ist eng mit der vorhergehenden Bitte verbunden. Wenn mein Leben nämlich mit Geschwätz und Banalitäten ausgefüllt ist, wenn mein Leben nicht auf Gott ausgerichtet ist, wenn ich nicht nach der Ewigkeit strebe, dann wird der Inhalt meines Lebens unvermeidlich egozentrisch und egoistisch. Meine Haltung anderen Menschen gegenüber ist nicht mehr so wie sie sein sollte, denn alle anderen werden zum Mittel für die Befriedigung meiner eigenen Ideen. Herrschsucht bedeutet nicht unbedingt, dass ich über jemanden herrsche, Herrschsucht kann sich auch in Form von Gleichgültigkeit, Verachtung und mangelndem Respekt äußern. Wer der Herrschsucht keinen Raum in seinem Leben geben möchte, der erinnert sich während seiner Arbeit immer daran, dass er ein Diener Christi ist. Sich selber legt er in die Hände Gottes, seinem Nächsten gegenüber verhält er sich mit Respekt, Hilfsbereitschaft, Liebe und Demut. Der Hl. Basilius der Große rät uns:„Wenn du dich nach Ehre sehnst und in deiner Arbeit Fortschritte machen möchtest, dann sei gerecht, verständnisvoll und geduldig ...Auf diese Weise wirst du dich selber retten und würdig erweisen." Wir Christen sehnen uns nämlich noch nach anderen Dingen „die kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die Ihn lieben."(1.Kor. 2,9) Ap.Paulus
„...gib mir nicht den Geist der Geschwätzigkeit..." In der gesamten Schöpfung wurde einzig und allein dem Menschen die Fähigkeit geschenkt, zu sprechen. Die Hll. Väter bezeichnen diese Gabe als den entgültigen „Siegel" des göttlichen Ebenbildes im Menschen. Denn Gott selbst offenbarte sich als das Wort (Logos). Während das Wort das grösste Geschenk Gottes ist, kann es gleichzeitig aber auch zu einer großen Gefahr werden. Denn entweder rettet das Wort, oder es tötet. Das Evangelium sagt es uns:„Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz. Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wist du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wist du verdammt werden." Hier erkennen auch wir unsere Aufgabe: Wir müssen unsere innere Welt in Ordnung bringen, sie reinigen, sowie unser Verhältnis zu unseren Mitmenschen, sodass, wie der Apostel Paulus schreibt: „ Kein faules Geschwätz aus eurem Munde geht, sondern dass ihr redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören."
Gemeinsam mit dem Hl. Efraim bitten wir also Gott, uns von diesen vier Leidenschaften zu befreien. Ein Schrei aus der tiefe des Herzens des hilflosen Menschen, denn ohne die Hilfe Gottes können wir sie nicht bekämpfen. Und anstelle dieser Leidenschaften möchten wir uns nun die vier grössten Tugenden aneignen:
Darum bitten wir„... schenke mir den Geist der Erkenntnis...". Die Erkenntnis (gr. Sophrosini) haben wir erreicht, wenn wir wieder in den von Gott gewollten Zustand zurückgekehrt sind. Befinden wir uns in diesem Zustand, dann erkennen wir den königlichen Mittelweg zwischen einer Übertreibung nach links oder nach rechts, die beide nicht von Gott gewollt sind. Nur in diesem Zustand ist eine gesunde Entwicklung und ein inneres Gleichgewicht des Menschen möglich. Völlerei, Habgier, Zorn, aber auch übertriebene Askese und Vernachlässigung der Gesundheit, sind der Erkenntnis fremd. Die Bemühung um die Erkenntnis ist schön und verspricht ein wunderbares Ergebnis. Sie macht den Menschen Gott wohlgefällig, zu einer reinen Wohnstätte des Herrn und den Engeln gleich. Es ist schwierig sie zu erlangen, aber es ist möglich durch die Gnade Gottes.
Die erste und wunderbarste Frucht der Erkenntnis ist die Demut. Daher bitten wir „. . .schenke mir den Geist der Demut...". Über die Demut haben wir schon gesprochen. Wichtig ist, dass die Demut die einzige Wahrheit ist, wahre Selbsterkenntnis und Selbstannahme. Sie zeigt uns unsere Grenzen und gibt uns wahre Würde. Demut ist eine Charakterstärke und wenn ein Demütiger bereit ist, anderen zu helfen, geschieht dies nicht aus Servilität, die auf einen persönlichen Gewinn oder Nutzen spekulieren, sondern aus selbstloser Nächstenliebe. Der Demütige ist ein nach oben geöffnetes Gefäß, steht mit offenen Armen da, um die Gnaden und den Segen Gottes aufzunehmen. Echte Demut ist eine Sache der inneren Geisteshaltung und des Herzens, nicht der Floskeln und der frommen Reden. Nur wer demütig ist erkennt die Herrlichkeit, die Größe, die Güte und die Liebe Gottes.
Bei der folgenden Bitte„... Herr schenke mir den Geist der Geduld..." ,bitten wir um eine Tugend, die gerade in unserer heutigen Zeit sehr notwendig ist. Wir sind uns darüber bewusst, dass wir in unserem täglichen Leben ständig auf Schwierigkeiten stoßen werden. Ein geduldiger Mensch aber wird in diesen Situationen seine Hoffnung auf die Hilfe Gottes setzen, er wird nicht in Hektik, Gereiztheit oder Verzweiflung verfallen, sondern sich als standhaft in Trübsalen, Leiden und in jeder Versuchung erweisen. Geduldig sollte man sich aber vor allem auch im geistlichen Kampf erweisen. Durch ein langsames, beständiges und geduldiges geistliches Wachsen werden wir erfahren und rein, wie das Gold, das im Feuer gereinigt wird. Der Hl. Johannes Chrisostomos rät uns:„Nehmen wir uns ein Beispiel an einem Athleten, der durch den Empfang des Siegeskranzes ermuntert wird und die Hitze und den Durst geduldig auf sich nimmt." Ein Beispiel vollkommener Geduld haben wir in Christus selbst, der alle Bosheiten der Menschen, die Schwächen seiner Jünger ertrug, der sich ins Gesicht spucken ließ, ohne sich zu beklagen und schließlich freiwillig die Leiden und die Kreuzigung auf sich nahm. Der Gott der Geduld gibt uns Kraft und verspricht uns:„...wer bis zum Ende treu bleibt, wird gerettet werden."(Math. 10, 22)
Schließlich kommen wir zur Tugend aller Tugenden, die wunderbarste und wichtigste Tugend, das Ziel all unserer geistlichen Bemühungen und der Askese: der Liebe. „...Herr, schenke mir den Geist der Liebe..." Der Hl. Apostel Paulus hinterließ uns den wunderbaren Gesang auf die Liebe:„... Wenn ich prophetisch reden könnte und wusste alle Geheimnisse, und hätte Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze ...Die Liebe hört niemals auf, wo alles andere und die Erkenntnis aufhören wird." Wichtig ist, dass es sich nicht nur um irgendein menschliches Interesse für eine anonyme Gruppe von Menschen, von Armen oder einer Volksgruppe handelt. Sozialarbeit und das Almosen geben ist gut und die Christen haben die Pflicht so weit wie möglich zu helfen.
Aber das ist nur ein kleiner Teil der wirklichen Liebe. Die christliche Liebe ist die Fähigkeit, in der Person eines jeden Menschen, den Gott in mein Leben führt, sei es auch nur für einen kurzen Moment, das Ebenbild Christi Selbst zu sehen. Diese Liebe ist die Einheit aller Menschen in Christus. Und nur aus dieser Liebe in Christus, zur Person, die es nur einmal auf dieser Welt gib, können alle weiteren guten Werke entspringen: die äußere Gestalt, die gesellschaftliche Stellung, die intellektuellen Fähigkeiten des anderen Menschen werden unwichtig, die Liebe dringt in die Seele ein, die von Gott geschaffen wurde, also ein Stück von Gott selbst ist. Wir dürfen also nicht die Liebe zur einzelnen Person vernachlässigen, sondern sollten die ganze Welt mit dieser persönlichen Liebe überfluten. Alle Menschen dürstet und hungert es nach dieser Liebe, danach, dass ihre Seele als etwas einzigartiges anerkannt wird, in der sich die gesamte Schönheit der Schöpfung widerspiegelt. Diese christliche Liebe ist so unendlich, dass sie selbst den Tod überwindet, denn in Christus gibt es nicht Lebende und Tote, sonder alle leben in Ihm. Indem wir also Christus lieben, lieben wir auch alle in Ihm. Unsere Liebe zu den Entschlafenen, drücken wir daher mit unseren ständigen Gebeten für sie aus. Bemühen wir uns also um diese unendliche, unbegrenzte, uneingeschränkte Liebe in Christus, denn sie ist ein Sonnenstrahl, der uns mit dem Himmel verbindet.
Schließlich beendet der Hl. Efraim seine Bitten mit den Worten„... und gewähre mir meine Sünden zu sehen und meinen Bruder nicht zu verdammen..." Damit möchte er dem Stolz, einer Leidenschaft, die sich leise und heimlich in alle Gebiete unseres
Lebens einschleicht, entgehen. Wären wir uns unserer eigenen Fehler und Schwächen bewusst, dann könnten wir sehr leicht umkehren, unsere frühere Schönheit wiederherstellen. Allerdings sind wir zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt und entgehen auf diese Weise der Mühe der Selbsterkenntnis. Zusätzlich macht es uns auch noch unser Egoismus schwer, denn nicht einmal mir selber möchte ich meine Schwächen eingestehen. So bleibt unser Inneres ein verschlossenes Gefäß voller Schwächen und Bosheit. Damit tun wir uns allerdings nichts Gutes, denn„... Was könnte es dem Menschen helfen, wenn er die ganze Welt gewinnen würde, und nähme an seiner Seele Schaden?" (Mk.8,36) Der Hl. Efraim war sich dessen bewusst. Er war darum bemüht, Dinge zu unterscheiden, die schädlich oder hilfreich für seine Seele waren. Mit ihm gemeinsam können wir beten: Herr, gib mir die Kraft und die Gnade meine Aufmerksamkeit auf mein Inneres zu richten, um meine Bosheiten zu sehen, nicht um zu verzweifeln, sondern um umzukehren und mich zu bessern. Aber es ist immer noch nicht ausreichend, meine eigenen Fehler zu sehen, denn nur allzu leicht schleicht sich eben wieder dieser Stolz ein.
Daher bittet der Hl. Efraim noch einen Schritt weiter gehen zu dürfen, und seinen Nächsten nicht zu richten. „Wie kannst du die Stelle des Richters einnehmen? Wie kannst du die Stelle unseres Herrn Jesu Christi einnehmen? Nur Er sitzt auf dem Thron des Richters!" So spricht der Hl. Johannes Chrisostomos. Jeden Tag, jede Minute verfolgen wir die Bewegungen, die Taten der anderen Menschen und schütteln den Kopf darüber oder drücken es noch deutlicher aus, dass wir ihr Verhalten verdammen. Den wahren Grund für sein Verhalten kennen wir meistens allerdings nicht. Der einzige, der die Seele jedes Menschen kennt ist Gott und einzig und allein Er hat die Fähigkeit gerecht zu richten. Wir alle haben also weder das Recht, noch die Fähigkeit dazu und dürfen uns nicht auf den Thron Gottes setzen. Jede Sünde und jedes schlechte Verhalten wird auf alle Fälle von Gott gerichtet, aber wir müssen es Ihm überlassen, um nicht selber gerichtet zu werden. „Werdet barmherzig wie auch unser Vater barmherzig ist."(Luk.6,36) Und plötzlich wird sich unsere gesamte Umgebung auch uns gegenüber barmherziger verhalten.
Das Gebet des Heiligen Efraim dem Syrer, die Vorfastensonntage, die große Fastenzeit sind unschätzbare Reichtümer, die wir benutzen sollten, die wir erleben sollten, um wieder wahre Menschen zu werden, um wahre menschliche Beziehungen wiederherzustellen, um den ursprünglichen Wert unserer Arbeit und Kultur wiederzufinden, um das Leiden der ganzen Welt zu lindern. Und das gelingt uns nur, wenn wir Gott wiederfinden, wenn wir zu Ihm zurückkehren, und durch Ihn zu allem, was Er uns in Seiner unendlichen Liebe und Seinem unendlichen Erbarmen gegeben hat. Dann werden wir in unserem Herzen rufen:
"Alles ist jetzt mit Licht erfüllt,
Himmel und Erde und Unterwelt.
So soll denn alle Schöpfung Christi Erweckung feiern,
in der sie Bestand gefunden hat."
„...Denn gepriesen sei der Herr in die Ewigkeit der Ewigkeiten. Amen."„
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